Die Leuchtenstadt Luzern im Rücken, die Schienen Richtung Süden vor Augen. Mit jedem Halt werden die Dörfer kleiner, die Landschaft ruhiger. Gleichzeitig verengt sich das Engelbergertal, eine inspirierende Bergwelt tut sich auf. Während in der Engelberger Aa das Wasser vom vergangenen Regen leicht bräunlich gefärbt ist, duellieren sich an den Talflanken Wolkenfetzen mit der Sonne. Am Bahnhof Wolfenschiessen heisst es «Ausstieg», Ziel ist der Hof Neufallenbach.

Wenige Meter vom Bahnhof entfernt lädt die alte, gedeckte Holzbrücke zum Überqueren der Engelberger Aa ein. Sie scheint sich etwas beruhigt zu haben, das Wasser ist klarer. Der Wanderweg führt entlang des Flusses, dessen Rauschen ab und zu durch den einen oder anderen Traktor akustisch unterbrochen wird. Nach einer Dreiviertelstunde ist das Ziel erreicht und die Sonne hat endgültig das Zepter übernommen.

Beseelte Wesen erzählen ihre Geschichte

In Neufallenbach – so könnte man meinen – scheint immer die Sonne. Die Kräuter zeigen sich in den schönsten Farben, Beatrice und Wäli mit dem breitesten Lachen. Hier sind die Natur und die Leidenschaft zweier bodenständiger und feinsinniger Menschen zu Hause. Umgeben von Felsen, Bächen und markanten Bergen liegt ihr Hof am Ende des Engelbergertals. Hier haben die beiden Gastgeber in den letzten zwei Jahrzehnten eine Kräutergartenwelt geschaffen, die ihresgleichen sucht. Eine Leichtigkeit und ein Zauber sind spürbar, wenn man durch ihren Alpenkräutergarten geht. Jede Pflanze erzählt mit ihrem eigenständigen und beseelten Wesen ihre Geschichte.

Startschuss für den botanischen Heilpflanzengarten

Im ersten Stock des schlichten, modernen Holzbaus zwischen dem schönen Nidwaldner Wohnhaus und der Scheune liegen Pläne, Bilder und Zeichnungen auf dem Boden. Hier liegt die Zukunft zu Füssen und der Duft von Kräutern in der Luft. Das kreative Duo arbeitet an einem neuen Projekt. «Die Räucherpflanzen waren der Startschuss für den botanischen Heilpflanzengarten.» Beatrice Bissig hat bereits mit 14 Jahren ihre erste Teemischung hergestellt. Man merkt ihr die Erfahrung und das Wissen an, das sie sich unter anderem im Studium der Ethnobotanik angeeignet hat. Gepaart mit einer grossen Leidenschaft und einem unglaublichen Innovationsgeist, bringt sie zusammen mit ihrem Mann Wäli den Hof Neufallenbach immer weiter voran, so auch mit dem neuen botanischen Heilpflanzengarten. Auf mögliche Herausforderungen angesprochen, zeigt die Antwort, wie pragmatisch die beiden unterwegs sind: «Was im Garten ist, kennen wir. Was wir machen, lieben wir.» Punkt. Eine Haltung, die Neues wachsen lässt.

Traditionelle Selbstfürsorge leben

Sie wollen Wissen vermitteln, kulturelle Aspekte aufzeigen und vor allem auch zeigen, wie Heiltradition im Alpenraum aktuell gelebt wird. «Viele haben Kräutertee zu Hause, bei Bauchschmerzen wird dann zum Beispiel Pfefferminz- oder Kamillentee getrunken. Das ist schon Heiltradition», sagt Bissig. «Wir wollen den Menschen Mut machen, mehr auf sich zu achten, und den Nutzen der Heilpflanzen für das eigene Wohlbefinden aufzeigen. Immer im Sinne von: Es ist alles da, was wir brauchen.» Und die Möglichkeiten sind beinahe grenzenlos Das zeigt sich auch in der grossen Pflanzenvielfalt.

Dass Beatrice und Wäli den Interessierten mit ihrer Gartenanlage eine Augenweide bieten wollen, ist offensichtlich, der Anblick ästhetisch. «Uns ist wichtig, dass der Garten schön aussieht. Die Gärten sollen in die Landschaft überfliessen und zur Nachahmung inspirieren.» Mit dem botanischen Heilpflanzengarten bieten Bissigs Interessierten einen einzigartigen, magischen Moment im Engelbergertal.