Merken Sie bei der Arbeit überhaupt noch, dass Sie  in einem Zug sind?

O ja. Auf der Strecke Lu­zern–Interlaken kann man das unmög­lich vergessen. Das liegt vor allem am einzigartigen Panorama und an den auf­gestellten Gästen. Und stellenweise schaukelt es wie auf einem Schiff.

Wie ist das für Sie, in einem fahrenden Zug zu arbeiten?

Anfangs war es eine grosse Herausfor­derung, weil schnell etwas herunterfal­len kann. Mittlerweile ist es Routine, auch weil ich die Strecke kenne.

Sie passen sich der Strecke an?

Ja, jetzt kenne ich die heiklen Kurven und Rüttelstellen. Dann bleibe ich kurz ste­hen, damit nichts vom Servicetablett fällt. Die Gäste staunen dann immer und sagen: «Also, ich hätte Ihre Balance nicht!»

Wie und wo beginnt Ihr Arbeitstag?

Auf festem Boden. (lacht) Im Ernst, er beginnt und endet jeweils in Luzern. Es gibt zwei verschiedene Schichten. Ent­weder fahre ich pro Tag einmal oder zweimal die Strecke Luzern–Interla­ken–Luzern.

Was fordert Sie in Ihrem Beruf neben der Balance am meisten?

Definitiv die Zeit. Die gesamte Strecke ist nicht lang, und die Abschnitte zwi­schen den Stationen sind kurz. Wenn das Bistro gut belegt ist, muss man den Ser­vice gut planen und sich orientieren, bis wohin die Gäste fahren. Es soll niemand den Speisewagen durstig oder hungrig verlassen.

Könnten Sie sich vorstellen, wieder in einem normalen Restaurant zu arbeiten?

Nein. Im Zug ist es viel spannender. Man hat einen fantastischen Ausblick, das Team ist sehr familiär, und die Gäste sind irgendwie anders drauf – fröhlicher und entspannter.

Tatsächlich? Nicht gestresster, weil sie vielleicht bald wieder aussteigen?

Im Gegenteil, die allermeisten Gäste sind sehr entspannt, angenehm und dankbar. Sie bewundern die Strecke und haben Spass. Wenn es die Zeit erlaubt, höre ich gerne den Geschichten zu.

Haben Sie Stammgäste wie in einem normalen Restaurant?

Das haben wir. Und wie in einem nor­malen Restaurant weiss man rasch, was sie konsumieren. Für gewisse Stamm­gäste bereite ich die Getränke vor, noch bevor sie im Zug sitzen. Es genügt, dass ich sie auf dem Perron stehen sehe. Viele Stammgäste haben einen Lieblings-­Ste­ward. Sie freuen sich, wenn sie von die­ser Person bedient werden.

Ist diese Freude gegenseitig?

Bei mir schon. Ich freue mich immer auf die Stammgäste. Was ich ebenfalls sehr mag, sind ältere Fahrgäste. Sie sind herzlich und gut gelaunt. Mal erzählen sie Geschichten, mal unterhalten wir uns über Alltägliches. Ich möchte ihnen die Reise so angenehm wie möglich ge­stalten.

Wie sieht es mit internationalen Gästen aus?

Sie sind eine grosse Bereicherung, und ich kann meine Sprachkenntnisse in Deutsch, Englisch und Polnisch nutzen. Wir haben immer wieder polnische Gäs­te. Das erkenne ich beispielsweise an ih­rer polnischen Zeitung. Diese Gäste sind immer überrascht, wenn ich erst deutsch mit ihnen spreche und dann auf Polnisch wechsle.

Was tun Sie, wenn keine Gäste im Bistro sind?

Dann bediene ich die Gäste der 1. Klasse direkt an ihrem Sitzplatz. Das sorgt oft für Erstaunen, weil diese Dienstleistung kaum bekannt ist.

Wann gehen Sie in Ihrem Beruf so richtig auf?

Wenn viel los ist. Das mag ich. Dann macht das Arbeiten richtig Spass.

Und wenn mal zu viel los ist?

Dann genügt es, kurz innezuhalten, aus dem Fenster zu blicken und tief durch­zuatmen. Das unglaubliche Panorama mit Seen und Bergen wirkt sehr entspan­nend und gibt gleichzeitig neue Energie.

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