Sie nutzen beruflich und privat fast täglich den Zug als Verkehrsmittel. So fahren Sie auch oft mit der Zentralbahn, die Sie direkt zu Ihrem Arbeitsort in Innertkirchen bringt. Was schätzen Sie an den Fahrten mit der Zentralbahn? Und was vermissen Sie dabei?

Als ich 2010 bei der KWO meine erste Arbeitsstelle antrat, fuhren noch die alten Modelle. Keine Klimaanlage, fast keine Tische und keine Steckdosen. Die *ADLER sind ein Reiseerlebnis und ich vermisse gar nichts, wenn ich im Zug sitze. Im Gegenteil, Zugfahren ist für mich Inspiration und deshalb arbeite ich gerne im Zug. Vor allem, wenn es sich um konzeptionelle Arbeiten handelt. Dies ist mithin auch ein Grund, wieso ich kein Auto besitze und sehr gerne den öffentlichen Verkehr nutze.

Sie bringen mit Ihrem Hintergrund auch Bahn-Know-how mit, einerseits durch Ihre frühere Tätigkeit, anderseits betrieb die KWO bis Ende 2020 die Meiringen-Innertkirchen-Bahn (MIB), bevor Sie durch die Zentralbahn übernommen wurde. Was verbindet Sie mit der Bahnwelt?

Schon als Kind war ich fasziniert von Eisenbahnen und wollte natürlich auch Lokomotivführer werden. Nach meinem Studium ergab es sich, dass ich für ABB im Ausland Kraftwerke in Betrieb nehmen konnte. In jedem Land, wo ich arbeitete, reiste ich mit der Bahn. Am schönsten in dieser Hinsicht war für mich China. Dort waren in den frühen 1990er Jahren noch viel Dampfzüge in Betrieb.

Hatten Sie ein weinendes oder lachendes Auge bei der Übernahme?

Ein weinendes Auge, weil die MIB zur Identität der KWO gehörte. Die Strecke von Meiringen nach Innertkirchen wurde bewusst für den Kraftwerksbau in den 1920er Jahren gebaut. Die MIB war lange Zeit eine Werksbahn. Ein lachendes Auge hatte ich selbstverständlich auch, weil die MIB in gute «Bahnhände» übergegangen ist. Für die KWO ist es mit der Zeit immer schwieriger geworden, das Bahnwissen zu halten und weiterzuentwickeln. Die BAV-Vorschriften machen keinen Unterschied, ob es sich um ein Unternehmen mit einer knapp 5 Kilometer langen Bahnstrecke handelt oder um eine grössere Bahnunternehmung wie die Zentralbahn.

Direkt vor ihrer beruflichen «Haustüre» liegt das Grimselgebiet mit einer enorm schönen Landschaft. Sie sind ein aktiver Mensch und gerne unterwegs in dieser einzigartigen, kargen und schönen Gegend. Was spüren Sie, wenn Sie über Stock und Steine gehen?

Die Intensität der Landschaft, die Farben der Granitfelsen. Dies spürt man umso intensiver, wenn man alleine unterwegs ist, dies ist in der Vor- und Nachsaison häufig der Fall.

Sie sagen, Energie zu tanken gehe nirgendwo so gut wie in der Grimselwelt. Warum genau erholen Sie sich dort besser als anderswo? Und wo in der Grimselwelt schlägt ihr Herz ganz besonders hoch?

Die Landschaft am Grimsel- und Sustenpass ist faszinierend und voller Sehenswürdigkeiten. Die Grimselwelt ist als Ganzes einmalig. Unsere Bergbahn- und Brückenerlebnisse, die vielen Wandermöglichkeiten im weit verzweigten Wassereinzugsgebiet der KWO, die attraktiven SAC-Hütten. Und nicht zu vergessen unsere Kraftwerkstouren im Berginnern lassen die Herzen unserer Besucherinnen und Besucher höher schlagen. Für mich persönlich steht die Wanderung auf das Sidelhorn zuoberst auf der Liste.  

Strom aus erneuerbaren Quellen wird mehr nachgefragt. Die Wasserkraft spielt dabei eine gewichtige Rolle. Wie sieht unsere Stromwelt in 20-30 Jahren aus Ihrer Perspektive aus? Aus welchen Quellen werden wir mit Strom bedient?

Im Sommer wird viel Strom aus Photovoltaik-Anlagen kommen. Während der Tageszeit wird die Laufwasserproduktion der KWO nicht gross nachgefragt werden. Natürlich in der Nacht und während der Morgen- und Abendspitze wird dies anderes aussehen. Im Winter wird die Nachfrage nach Speicherenergie sehr gross sein. Deshalb entwickeln wir die Speicherprojekte Trift und der Ausbau des Grimselsees. Heute kann die KWO nur rund einen Viertel der jährlich anfallenden Wassermenge speichern und im Winter nutzen. Der Rest wird vor allem im Sommer als Laufwasser abgearbeitet. Eine wesentliche Rolle wird auch der Wasserstoff spielen. Dieser kann mit überschüssiger erneuerbarer Energie vor allem im Sommer mittels **Elektrolyseuren produziert werden und könnte optimalerweise im Erdgasnetz für den Verbrauch im Winter eingelagert werden.

Eines der wichtigsten Ausbauvorhaben der KWO ist der Bau eines neuen Stausees im Triftgebiet. Aus diesem See soll weitere Alternativenergie entstehen. Wo liegen die grössten Herausforderungen bei diesem Projekt?

Grosse Herausforderungen sind einerseits der Genehmigungsprozess und die Langfristigkeit dieser Projekte. Beim Genehmigungsprozess muss man zwischen 10 und 15 Jahren rechnen, bis ein Bauentscheid gefällt werden kann und anschliessend dauert die Bauzeit rund 8 Jahre. Von der Projektidee bis zur Inbetriebnahme dauert es also über 20 Jahre. In dieser Zeit kann sich das Umfeld radikal wandeln. Zudem sind Staumauern langlebige Gewerke mit über 80 Jahren Lebensdauer.

 

*ADLER: Name der siebenteiligen Zugkomposition, die auf der Strecke Luzern–Interlaken Ost fährt.

**Elektrolyseur: Vorrichtung, die mit Hilfe von elektrischem Strom eine chemische Reaktion für die Stoffumwandlung auslöst.

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