Was gab den Ausschlag über einen Zusammenschluss nachzudenken?

2001 erfolgte der Spatenstich zum Bau einer neuen Steilrampe nach Engelberg. Während dem Bau des Tunnels führten die beiden Bahnen intensive Gespräche über die künftige Entwicklung des öffentlichen Verkehrs zwischen Luzern, Engelberg, Brünig und Interlaken. Beide Bahnen hatten grossen Nachholbedarf in der Erneuerung des Rollmaterials und der Infrastruktur.  

Weshalb entschied man sich schliesslich für Fusionsgespräche?

Aus technischen, betriebswirtschaftlichen und finanziellen Gründen. Beide Bahnen hatten die gleiche Spurweite und das gleiche Zahnstangen- und Stromsystem. Für eine Netzstrecke von rund 100 km wurden zwei Verwaltungen, zwei Infrastrukturabteilungen und zwei Leitstellen geführt. Auch die Erneuerung der Fahrzeugflotten der beiden Bahnen spielte eine wichtige Rolle.  

Wie verlief der Prozess?  

Der Druck von Bund und Kantonen war sehr gross. Es wurde ein rationelles und finanziell tragbares Betriebskonzept verlangt. Man bildete einen Lenkungsausschuss mit dem Auftrag, die Möglichkeiten einer engen Zusammenarbeit bis hin zu einem totalen Zusammenschluss zu klären. Dem Ausschuss gehörten Vertreter der SBB, des Bundesamts für Verkehr, des Verwaltungsrates der LSE und die Geschäftsführer beider Bahnen an. Schon bald war man sich einig, dass ein vollständiger Zusammenschluss zu einer neuen, selbständigen Bahngesellschaft die beste Lösung darstellt.

Was war Ihre Rolle in diesem Prozess?

Ich war Verwaltungsratspräsident der LSE und wurde zum Vorsitzenden des Lenkungsausschusses gewählt. Ich hatte die Sitzungen zu leiten und mit Unterstützung meiner Kolleginnen und Kollegen die Verhandlungen mit den politischen Behörden und Ämtern von Bund, Kantonen und Gemeinden zu führen.

Wie erlebten Sie die Verhandlungsgespräche?

Sehr intensiv, offen und speditiv. Natürlich waren anfänglich die Vorstellungen und Meinungen sehr unterschiedlich. Ich spürte aber bei allen Beteiligten den starken Willen, ein zukunftsorientiertes und finanziell tragbares Projekt zu erarbeiten, das von den zuständigen Behörden und Ämtern auch angenommen wird.

Welches waren die grössten Herausforderungen bei der Umsetzung?

Man war sich schnell einig, dass eine neue Aktiengesellschaft gegründet werden muss. Die Grösse der Besitzanteile war aber umstritten. Die LSE mit einer Strecke von rund 25 km war eine Aktiengesellschaft im Besitze des Bundes, der Kantone Ob- und Nidwalden, der Gemeinde Engelberg und von wenigen Privataktionären. Die Brünigbahn mit einer Strecke von rund 75 km war eine eigenständige Abteilung der SBB AG. Weitere harte Auseinandersetzungen entstanden bei der Festlegung des Geschäftssitzes, der Werkstätten und der Leitstelle.  

Wie konnten die Differenzen überwunden werden?

Durch den Beizug von Finanzfachleuten konnte eine gute Lösung gefunden werden. Die SBB wurde mit 66% Hauptaktionärin, die restlichen 34% blieben im Besitz der ehemaligen Eigner der LSE. Die Zentralbahn wurde eine selbständige Tochterfirma der SBB. Aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen wurde für Geschäftssitz und Leitstelle Stansstad bestimmt. Aus betrieblichen Gründen blieben die Unterhaltswerkstätten an den bisherigen Standorten Meiringen und Stansstad bestehen.  

Diese Entscheide führte sicher auch zu Unruhe beim Personal.

Ja. Der Zusammenschluss im Personalbereich war eine besondere Herausforderung. Zwei verschiedene Betriebskulturen mussten zu einer Einheit geführt werden. Durch den Zusammenschluss gab es für einen Teil des Personals Wechsel von Aufgaben und Arbeitsort. Das löste nicht überall Begeisterung aus. Um den Anliegen des Personals gerecht zu werden, wurden mehrere Orientierungsversammlungen veranstaltet und Gespräche mit Betroffenen geführt.

Wie wurde die «Neue Bahn» von der Bevölkerung aufgenommen?

Anfänglich sehr kritisch. Schon die Namensgebung kam nicht überall gut an. Zudem hatte die neue Bahn in der Startphase leider häufig mit Fahrzeugstörungen und Verspätungen zu kämpfen, was bei den Passagieren zum Teil heftige Äusserungen hervorrief. Da hiess es schnell: Vorher lief es doch! Dank grosser Anstrengungen gelang es aber, die Probleme in kurzer Zeit zu beseitigen.  

Als wäre das nicht genug: Ein halbes Jahr nach der Gründung wurde die Zentralbahn von einem heftigen Unwetter getroffen.

Das war die erste Bewährungsprobe für das junge Unternehmen. Die Auswirkungen waren gewaltig. Fast auf der ganzen Strecke gab es riesige Schäden. Befahrbar war nur noch die Stecke Luzern – Stans. Die Schadensumme belief sich auf rund 40 Millionen Franken. Die möglichst rasche Instandstellung der Infrastruktur war eine riesige Herausforderung. Da haben unsere Leute Grosses geleistet. Ob ehemaliger Brünig-Mitarbeiter oder LSE-Angestellte spielte keine Rolle. Alle haben angepackt, wo es nötig war.  

Welche Lehren haben Sie aus dem Zusammenschluss gezogen?

Ein solch bedeutendes Projekt muss sehr seriös vorbereitet werden und unter den Verantwortlichen muss Einigkeit herrschen. Man muss Behörden und Amtsstellen rechtzeitig orientieren, sachliche und fundierte Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Für die Umsetzung braucht es einen straffen Zeitplan. Bei Verzögerungen und mangelnder Orientierung entstehen Unsicherheiten und es besteht die Gefahr, dass das Projekt abstürzt. Es muss Schlag auf Schlag gehen!

Würden Sie rückblickend etwas anderes machen?

Natürlich würde man im Nachhinein dies und jenes anders machen. Ich denke da vor allem an einen frühen Einbezug des Personals und eine gezieltere Öffentlichkeitsarbeit. Die gefällten Grundsatzentscheide zur Fusion scheinen mir aber auch rückblickend richtig zu sein, da sich die Zentralbahn zu einer erfolgreichen Verkehrsunternehmung, zu einer Perle im Netz der schweizerischen Meterspurbahnen entwickelt hat. 

Ferdinand Keiser

Der gelernte Bauschlosser und ausgebildete Metallbautechniker führte 36 Jahre lang eine Metall- und Stahlbaufirma in Stans. Er war zudem Gemeinderat und Gemeindepräsident von Stans sowie 12 Jahre lang Regierungsrat des Kantons Nidwalden. Ferdinand Keiser amtete als Verwaltungsratspräsident bei der LSE (1998 bis 2004) und später bei Zentralbahn (2005 bis 2010). Der 82-Jährige lebt mit seiner Frau in Stans, hat drei erwachsene Söhne und sieben Enkelkinder.

Foto: Archiv Zentralbahn

Das heftige Unwetter von 2005 war für das junge Unternehmen Zentralbahn eine Bewährungsprobe. Unter anderem wurden das Lehnenviadukt und das Bahntrassee von der Engelberger Aa unterspült (Bild). Engelberg war vier Monate vom Bahnverkehr abgeschnitten. 

Foto: P. Berger